Fast hinterhältig grinst er nach einem Sieg.
Und schaut dabei zu seiner Box, als wolle er sagen:
Hey, keine Ahnung wie das passiert ist
Bis zum Handshake am Netz verzieht er aber keine Miene.
Ruhig und souverän, wie ein Stoiker, spielt er jeden Ballwechsel als wäre es der letzte in seinem Leben. Analytisch, klug und stets mit all dem, was ihm sein Schlagrepertoire zur Verfügung stellt.
Und Hyeon Chung bringt mit seiner Tennistasche nicht nur Wasser und Schläger mit auf den Platz.
Chung besitzt ein Repertoire an Schlägen, welches ihm gegen jeden Spieler der Welt helfen kann – mit Ausnahme von Roger Federer. Der Schweizer spielt zu aggressiv. Nicht zu schnell. Aber Roger lässt seinem Gegner keine Luft zum Atmen. Keine Zeit, um sich zu entfalten. Um sein Spiel einzusetzen, fehlen Chung gegen Federer noch die passenden Qualitäten.
Aber der Koreaner hat schon jetzt einiges zu bieten.
Stabilität an der Grundlinie
Spieler mit einem schnellen und sehr flachen Spiel sind für Hyeon Chung wie der Besuch in einem Abenteuerpark.
Aufregend, lustig und voller Spaß.
Denn hier kann Chung seine Stabilität ausspielen. Seine Beine sind enorm durchtrainiert, sein Körperschwerpunkt im Grundlinienspiel ist sehr niedrig. Dadurch kann er die schnellen und flachen Schläge, wie sie beispielsweise Alexander Zverev gern spielt, in einer für ihn perfekten Höhe treffen. In dieser Art von Tennis ist Chung ungemein sicher, konstant und in der Lage auch selbst den Ballwechsel zu diktieren.
Denn Hyeon Chung kann von der Grundlinie nicht nur reagieren, sondern auch agieren. Und dies mit einem Schlag, der seiner Natur entspricht.
Der:
Vorhand Inside-Out
Flinke Füße, gutes Spielverständnis und das Gespür für die richtige Situation.
Chung kann mit seiner Vorhand aus der eigenen Rückhand, diagonal über den Platz gespielt, den Ballwechsel diktieren und mit dieser Strategie selbst in die Offensive schalten. Nach dieser Vorhand deckt er hervorragend den Platz ab und kann aufgrund seiner hohen Sicherheit den Gegner unter Druck setzen. Chung versteht es das Tempo in den eigenen Schlägen richtig zu dosieren. Er kann das Tempo aus dem gegnerischen Schlag nehmen – aber auch selbst das Gaspedal betätigen.
So sieht seine Vorhand Inside-Out aus:
Wer gegen Chung spielt, sollte vor dieser Vorhand gewarnt sein. Denn ab diesem Schlag kann der Ballwechsel eine vollkommen andere Richtung nehmen. Der Koreaner ist nicht nur eine menschliche Ballwand an der Grundlinie – im Gegenteil.
Der Slice mit 180 km/h
Seine Aufschlagbewegung wirkt kantig. Was raus kommt, ist aber gefährlich.
Ähnlich wie Andy Murray und Roger Federer mixt Chung seine Aufschläge sehr gut durch. Als Gegner braucht man sicht nicht auf ein simples „erster Aufschlag knaller, zweiter Aufschlag Kick“ einstellen. Dies wird nicht passieren. Chung setzt auf verschiedene Aufschlagvariationen.
Unter anderem:
- Slice durch die Mitte
- Slice auf den Körper
- hart auf Mann
Diese Variationen spielt Chung öfters beim ersten Aufschlag, so dass sich in einem Aufschlagspiel von ihm immer viel Abwechslung befindet. Sein Ballwurf ist dabei fast immer gleich. Nur beim Slice-Aufschlag auf die Vorteilseite, wenn er durch die Mitte geht, wirft er den Ball etwas auffällig nach rechts. Hier hat der Gegner eine Chance den Aufschlag zu lesen.
Aber Vorsicht: Chung spielt diese Vaariante mit bis zu 180 km/h, Slice, durch die Mitte. Nah an die Linie gespielt ist dieser Aufschlag, selbst wenn man ihn lesen kann, eine echte Waffe.
Obwohl Chung nicht zu den härtesten Aufschlägern gehört bringt er viele seiner Aufschlagspiele, selbst gegen starke Returnspieler, durch.
Sein Facettenreichtum ist der Grund dafür.
Kaum Schwächen von hinten
Solides Tennis von der Grundlinie, ohne viel Drall und Ideen, sind der sichere Weg zur Niederlage gegen Hyeon Chung. Es bedarf einiges mehr, um gegen den jungen Koreaner zu gewinnen, solange er eine normale bis gute Form an den Tag legt. Da er auch nur schwer aus seiner buddhistischen Ruhe zu bringen ist, muss man ihn mit einem aggressiven Spiel und Drang zum netz unter Beschuss nehmen. Und dies in einer hohen Frequenz.
Das eigene Spiel muss gemixt werden, viele Schlagvariationen können seine Stabilität und Ruhe in den Grundschlägen ein wenig lösen. Der Slice, mittig auf das T-Feld gespielt, kann ihn von der Grundlinie ins Niemandsland ziehen, wo er sich nicht wirklich wohl fühlt. Hohe Spinbälle auf die Rückhand können Chung zu einem zu kurzen Ball drängen, der dann attackiert werden kann.
Durch raffinierte Aufschläge nach außen kann der Koreaner bei eigenem Aufschlag bewegt werden, um ihm seinen Rhythmus zu klauen, den er sonst schnell in Ballwechseln finden wird. Man muss ihn also ein bisschen mit seinen eigenen Waffen beschäftigen, um ihm diese zu rauben.
Wie so oft im Tennis reicht ein einfaches „seinen Stiefel runterspielen“ nicht. Ein Grund, warum Chung gegen viele Spieler, die hinter ihm im Ranking platziert sind, konstant gewinnt.
Der Matchplan
Um gegen Hyeon Chung zu siegen, braucht es eine guten und variantenreichen ersten Aufschlag. Dazu sollten die Ballwechsel möglichst kurz gehalten werden. Chung wird von Schlag zu Schlag stärker und – sicherer.
Auf dem Matchplan sollten daher stehen:
- Stopps
- Slice
- Winkelspiel
- Angriffe ans Netz
- Hohe, weiche Bälle
- schnelle Bälle in die Rückhand
Uninspiriertes „Haudrauf-Tennis“ wirkt nicht gegen Hyeon Chung. Es muss ein handfester taktischer Plan auf den Platz gebracht werden, um den jungen Koreaner aus seiner Komfortzone zu reißen und das Spiel auf den eigenen Schläger zu kriegen.
Hyeon Chung ist Novak Djokovic in einer besseren Version.
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