Wimbledon. 04.07.2014.
Die Sonne grüßte vom hellbauen Himmel, der keine Wolken kannte. Der CenterCourt zeigte keinen freien Platz. Es war angerichtet.
Halbfinal-Tag. Die neue gegen die alte Generation. Die klassische Wortverwurstung „Wachablösung“ geisterte durch manches Medium.
Milos Raonic traf auf Roger Federer. Novak Djokovic auf Grigor Dimitrov. Bei den Tennisfans kam ein neues Gefühl auf. Ein Gefühl der Veränderung. Neue Namen machten sich auf der riesigen Anzeigetafel in Wimbledon breit. Ein neues Gefühl der Spannung kam auf.
Der Bulgare schien endlich dort angekommen zu sein, wo ihn viele schon hingequatscht hatten. Enge vier Sätze waren es gegen den späteren Champion.
Es war der einzige Höhepunkt von Grigor Dimitrov in den letzten beiden Jahren. Gemessen an den Ansprüchen, welche man nunmal an ihn hat.
Charakterlich kann man sich keine Gedanken und Urteile erlauben – man kennt ihn nicht. Zumindest ich nicht. Du wahrscheinlich auch nicht. Doch ist das Treffen von Entscheidungen auf dem Platz – während einem Match – sehr oft direkt mit dem Charakter verankert.
- Trifft man gute Entscheidungen?
- Trifft man schlechte Entscheidungen?
- Trifft man überhaupt Entscheidungen?
Du kennst es – wenn du im Restaurant sitzt. Du schaust dir die Speisekarte an. Sie zeigt dir 24 verschiedene Gerichte. Oft fällt es schwer, sich für ein Gericht zu entscheiden. Viel öfters dauert es länger, bis du deine Entscheidung dann überhaupt getroffen hast.
Grigor Dimitrov sitzt in einem Restaurant mit zwei Speisekarten mit je 48 Gerichten.
Dimitrov hat zu viele spielerische Möglichkeiten. Ein verrückter Professor, der sich vor lauter Kennzahlen und Ideen ständig in seinem eigenen Labor verläuft.
Es beginnt bereits bei seiner Spielidee. Er hat keine. Sie ist nicht zu erkennen. Spielt Dimitrov offensiv? Ja. Spielt Dimitrov defensiv? Ja. Geht Dimitrov ans Netz vor? Ja. Serviert Dimitrov gut? Ja. Spielt Dimitrov flexibel? Ja. Ist Dimitrov gut aus der tiefen Defensive heraus? Ja. Kann Dimitrov den Ball beschleunigen und Tempo machen? Ja.
Ein berühmter Autor sagte einmal:
„Wer für alle schreibt – schreibt für keinen“
Alle grundlegenden Spielideen zu bedienen, führt nicht zu einem großartigen Ergebnis. Geht man an einem Samstag-Abend auf vier verschiedene Parties – man war eigentlich auf keiner.
Grigor Dimitrov fehlt die gerade Linie auf seiner kurivgen Strecke Richtung konstantes und gutes Spiel. In den wichtigen Matches kommt es auf die richtigen Entscheidungen an. Welche innerhalb kürzester Zeit zu fällen sind. Es bleibt keine Zeit verschiedene Optionen durchzugehen. Es bleibt keine Zeit für „Was wäre wenn …“- Fragen.
Intuitiv handeln. Das zeichnet zur Zeit besonders Novak Djokovic aus. Er bliebt einfach stehen, wenn der Gegner den Schmetterball spielt. Und er steht richtig. Er geht ans Netz und spielt einen Volleystopp. Und tut damit genau das Richtige. Er wird beim zweiten Aufschlag des Gegners aggressiv. Genau im richtigen Moment.
Kaum ein Spieler hat solche Möglichkeiten wie Grigor Dimitrov. Viele können den Ball schnell machen. Nicht alle haben aber ein gutes Händchen. Dimitrov hat es.
Körperlich ist Dimitrov einer der fittesten und beweglichsten Spieler. Und diese Basis könnte er für eine ECHTE Spielidee nehmen. Oft unterlaufen ihm leichte Fehler in der Offensive. Er scheint zu viel zu wollen. Nur selten gibt er seinem Gegner die Möglichkeit, selbst Fehler zu begehen.
Dimitrov verliert oft seine engen Matches. Zumeist durch zu hohes Risiko.
Warum nutzt er nicht mal seine Fitness, um drei Meter hinter der Grundlinie jeden Ball einfach nur zurückzuspielen? Dies muss nicht funktionieren. Doch wäre es mal eine andere Option.
Die den Gegner zur Handlung auffordert.
Es wäre ein Teil einer Spielidee. Die er hoffentlich bald endlich findet.
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